Schönes Wort, nicht wahr?
Wer kennt dieses Wort nicht? Wer hat es nicht schon tausend Mal im Zusammenhang mit seiner Ausbildung, seiner Arbeit oder seiner Gesundheit gehört? Oder weitergegriffen - mit seiner Art mit der Umwelt umzugehen oder auch mit seinen Mitmenschen?
Eigenverantwortung.
Wir sind selbst für unser Verhalten verantwortlich, für unsere Taten - aber auch für unsere Nichttaten. Ich habe etwas über mich gelernt, das ich schon länger wusste, aber mir nicht eingestehen wollte. Wenn ich einen Mann sehe, der seinen Hund schlägt, dann sage ich nichts. Mir wird heiß und kalt vor Wut, aber ich beisse mir die Zähne auf die Lippen und schweige, während der Hund winselt und sich duckt.
Ich bin verantwortlich für meine Nichttat - für mein Schweigen, mein schockiertes Stehenbleiben und meine geballten Fäuste. Und vor allem für das leise Flüstern, als der Mann außer Hörweite war: "Wichser."
In mir sind gerade zwei Teile: Der, der mein Nicht-Handeln entschuldigen will und der, der sich dafür schämt und wütend auf sich selbst ist.
Eine Stimme in mir sagt: "Es war eine dunkle Straße. Es waren drei Männer! Du bist nur eine Frau, die weder besonders stark ist, noch besonders schnell laufen kann! Was hättest du denn tun sollen? Es hätte sowieso nichts geändert, außer dass du dich in Gefahr gebracht hättest. Er würde seinen Hund wieder schlagen. Und außerdem war es ja nur so ein kleiner Schlag mit der Leine ... und nur einer ..."
ENTSCHULDIGUNGEN! Entschuldigungen, die nichts wert sind!
Denn die andere Stimme schlägt sich vor sich selbst entsetzt die Hände vors Gesicht und brennt vor Scham für jeden dieser Gedanken. Sie sagt: "Die Straße war stark befahren, selbst wenn kein Fußgänger unterwegs war. Und zehn Meter weiter ist eine Polizeistation! Glaubst du wirklich, dir hätte jemand wehgetan? Mach dich nicht lächerlich."
Glaubt mir: ich gebe der zweiten Stimme Recht. Und ich schäme mich für mein Nicht-Handeln. Für jede meiner Nicht-Taten schäme ich mich zu Tode. Denn jedes Mal wieder danach denke ich mir: "Das nächste Mal mache ich etwas. Das nächste Mal ..." Das nächste Mal kommt und ich bin wieder still, beisse mir auf die Lippen und zittere vor Wut.
Eigenverantwortung, Leute. Eigenverantwortung haben wir uns selbst gegenüber. Und wenn der moralische Kompass in dir selbst anschlägt und du dich danach nicht mehr in den Spiegel sehen kannst, dann weißt du, dass hier etwas falsch gelaufen ist. Somit brenne ich das Bild des winselnden, zusammenzuckenden Hundes auf meiner Netzhaut ein, damit ich mich für immer daran erinnern kann, dass ich geschwiegen habe. Und das nächste Mal wird mir dieses Bild vor Augen stehen, wenn ich meinen Mund aufmache und nicht leise flüstere, sondern laut bin.
Ich schreibe darüber, über Verantwortung und Eigenverantwortung. Aber ich bin bei weitem nicht so gut darin etwas zu tun. Jedes Mal wieder fordere ich Menschen zum Handeln auf und jedes Mal wieder frage ich mich: "Kann ich auch handeln? Würde ich handeln?" Nein, weiß ich jetzt. Würde ich nicht. Es ist leichter wegzusehen. Seid nicht so wie ich. Seid laut. Sprecht über eure Gedanken. Seid keine Feiglinge.
Es ist nicht leicht mutig zu sein. Es ist harte Arbeit, die euch den Schweiß auf die Stirn treibt und eure Knie zittern lässt. Meine zittern, genauso wie meine Hände. Ich habe meine Chance verpasst, mutig zu sein. Aber ihr? Ihr könnt mutig sein.
Denkt an meine Scham und auch an meinen Selbsthass, den ich gerade empfinde. Handelt, wenn ihr die Möglichkeit zum Handeln habt. Denkt daran, dass es zwar leicht sein mag, feige zu sein und dass euer Mut vielleicht nichts ändern wird. Aber ihr werdet euch am Ende des Tages in den Spiegel sehen können.
Bis zur nächsten Herausforderung. Und zur nächsten. Und zur nächsten.
Und irgendwann kann ich mir vielleicht auch ins Gesicht sehen.